Wer Bilder von Susanne Riemann kennt, dem vermittelt sich sofort etwas von dem, was sie auf ihrer Afrikareise erlebt haben muss. In den Bildern kommt etwas Aufrührendes, Spannungsgeladenes, Berührtes und Berührendes zum Ausdruck. Man spürt etwas vom Stolz der Menschen, die ihr begegnet sind. Ahnt die Widersprüche in ihren Erlebnissen, zwischen kraftvollem Leben und Verfall, zwischen Lebensfreude und Lebensbedrohung. Ihre Bilder bewegen sich auf ungewöhnliche Weise in einem Dazwischen. Und in diesem Dazwischen entstehen die Spannungen, die sich kraftvoll entladen.
Ein Spannungsfeld öffnet sich zwischen dem Malerischen und Zeichnerischen. Auf den ersten Blick sind es gemalte Bilder. Schaut man genau hin, dann erzeugt sie diesen Eindruck ausschließlich mit grafischen Mitteln. Auch wenn die Farben in ihren Bildern zu fließen scheinen, setzt sie dafür keinen Tropfen Wasser ein. Sie bringt den Kreide- oder Buntstiftstrich auf das Papier, lässt ihn teilweise stehen, verreibt, verwischt, zerstört ihn an anderer Stelle. Sie greift direkt mit ihren Händen in ihre Zeichnung ein, arbeitet die Bilder auf dem Papier buchstäblich heraus. So entsteht spannungsgeladen jene gezeichnete Malerei.
Mit ausschließlich grafischen Mitteln erzeugt sie auch die unglaubliche Intensität der Farben in ihren Bildern. In die Fläche hinein gemalt, könnte eine solche Farbigkeit erdrückend wirken – mit grafischen Mitteln hervorgebracht aber lösen sich die farbigen Flächen zum Strich hin auf und entwickeln in ihrer Kraft zugleich eine gewisse Leichtigkeit.
Spannung baut sich in ihren Bildern zwischen der Augenblickshaftigkeit und der inszenierten Ruhe auf. Schauen wir auf die Hühnermänner. In diesen Bildern betont sie den Augenblick in der Flüchtigkeit der Darstellung. Sie bringt die Bewegung dieses Augenblicks ins Bild, hält sie fest. Zugleich hält sie die Bewegung in einem wörtlichen Sinne fest, sie hält sie an. So ist der Mann – von vorn oder hinten – im Bild in eine Position gebracht, die einer klaren Komposition folgt, dem Bild etwas in sich Ruhendes gibt. Sie thematisiert in vielen Bildern Momente der Ruhe: die Sitzenden oder Hockenden, der Ausdruck der Gesichter, die verhängte Tür. Das wieder steht im Spannungsverhältnis zur kraftvollen, äußerst intensiven Farbigkeit.
Ihre Bilder sind in ganz besonderer Weise auf die Realität bezogen. Greift sie in vielen Passagen zum Mittel der Abstraktion, dann unterstreicht sie damit die Realität nur noch einmal mehr. Bis dahin, dass sie die grafischen Mittel, mit denen sie arbeitet, selbst als Realität auf dem Papier sichtbar macht: die Spur des Stiftes, die Spuren der Bearbeitung der Zeichnung.
Ihre Bilder sind bis ins Letzte durchkomponiert. Im Spiel des schnellen Striches baut sie ihre Bilder auf. Sie arbeitet mit Rahmungen, schafft Zentren in ihren Bildern, bringt fließende Formen und klare Konturen in eine Konfrontation oder – an anderer Stelle – in einen Zusammenhang.
Habe ich zunächst das Dazwischen auf die einzelnen Bilder bezogen, lässt es sich auch für die Ausstellung als Ganzes beschreiben. Zwischen vielen Bildern in der Ausstellung sind Zwischenräume ausmachen, die sich mit Erzählungen füllen. Das Bild des Hühnermannes von vorn und von hinten. Die beiden Bilder von der Haustür mit dem Tuch. Die Melonenfrauen in so unterschiedlicher Körperhaltung und mit so unterschiedlichem Gesichtsausdruck. Immer wieder drängt sich die Frage nach dem auf, was zwischen diesen Bildern ist. Das gilt insbesondere für die stolzen Portraits der Frauen beim Fest: ‚Die Göttinnen von Dakar’, wie Susanne Riemann diese Reihe nennt.